
Ist digitales Lernen auch mit einer Lernstörung wie ASS oder ADHS möglich?
Digitale Lernmethoden sind aus unserem Bildungssystem nicht mehr wegzudenken. Sie bieten zahlreiche Vorteile wie ortsunabhängiges Lernen, interaktive Inhalte und eine individuelle Anpassung an das Lerntempo. Doch wie effektiv sind digitale Lernmethoden tatsächlich? Und sind sie auch für Menschen mit Lernstörungen wie Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) geeignet? In diesem Artikel werfe ich einen Blick auf aktuelle Studien und beleuchten die Bedeutung multisensorischen Lernens für nachhaltigen Wissenserwerb.
Digitales vs. analoges Lernen: Was sagen Studien?
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien zur Effektivität von digitalem Lernen durchgeführt. Eine häufig zitierte Meta-Analyse von Kirkwood & Price (2014) zeigt, dass digitales Lernen zwar viele Vorteile bietet, aber nicht grundsätzlich effektiver ist als traditioneller Präsenzunterricht. Die Effektivität hängt stark von der Qualität der didaktischen Umsetzung ab. Ähnliche Ergebnisse liefert eine Untersuchung von Mayer (2019), die darauf hinweist, dass rein digitale Lernformate oft schlechtere Lernergebnisse liefern als hybride oder analoge Methoden.
Gerade für Menschen mit Lernstörungen kann digitales Lernen Herausforderungen mit sich bringen. Studien, darunter eine Untersuchung von Stern & Aprea (2021), zeigen, dass Personen mit ADHS oft Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit über längere Zeiträume auf digitale Inhalte zu konzentrieren. Fehlende externe Struktur und Ablenkungsmöglichkeiten durch andere digitale Medien verschärfen dieses Problem zusätzlich.
Menschen mit ASS hingegen profitieren häufig von digitalen Lernumgebungen, wenn diese klar strukturiert und visuell ansprechend gestaltet sind. Eine Studie von Parsons et al. (2017) zeigt, dass adaptive digitale Lernprogramme, die stark visuelle Elemente nutzen, Autismus-Betroffenen helfen können, sich besser auf Inhalte zu konzentrieren und Informationen nachhaltiger zu speichern.
Multisensorisches Lernen: Warum es so effektiv ist
Ein wesentlicher Faktor für langfristiges Lernen ist die Einbeziehung mehrerer Sinne. Je mehr Sinneskanäle beim Lernen angesprochen werden, desto nachhaltiger wird das Gelernte im Gedächtnis verankert. Eine Studie von Shams & Seitz (2008) zeigt, dass multisensorische Reize die neuronale Verarbeitung im Gehirn verstärken und so die Erinnerungsfähigkeit verbessern.
Das bedeutet konkret: Wenn wir eine neue Fähigkeit erlernen, bleibt sie besser haften, wenn wir sie nicht nur lesen oder hören, sondern auch sehen, fühlen oder sogar physisch ausführen. Dies ist besonders entscheidend in der Grundschule, wo die Basis für lebenslanges Lernen gelegt wird, sowie in der beruflichen Ausbildung, in der theoretische Konzepte oft praktisch angewandt werden müssen.
Digitale Lernmethoden für Menschen mit ASS und ADHS
Während digitales Lernen gewisse Nachteile hat, gibt es auch gezielte Möglichkeiten, es für Menschen mit ASS oder ADHS effektiver zu gestalten:
- Für ADHS-Betroffene: Digitale Lernumgebungen sollten klare Strukturierungen bieten, interaktive Elemente enthalten und Ablenkungen minimieren. Gamification-Ansätze, wie Belohnungssysteme und kurze, strukturierte Lerneinheiten, können helfen, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.
- Für Menschen mit ASS: Stark visuelle Lernplattformen mit klaren, vorhersehbaren Abläufen sind vorteilhaft. Auch virtuelle Simulationen oder Augmented Reality können hilfreich sein, um komplexe Zusammenhänge besser zu erfassen.
- Allgemeine Prinzipien: Hybride Lernmethoden, die digitale Inhalte mit analogen Erfahrungen kombinieren, sind oft am erfolgreichsten. Beispielsweise kann eine Online-Lektion durch praktische Experimente oder haptisches Material ergänzt werden.
Fazit: Die richtige Mischung macht den Unterschied
Die Frage, ob digitales Lernen für Menschen mit ASS oder ADHS geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Digitale Lernmethoden können sowohl Stärken als auch Schwächen mit sich bringen. Entscheidend ist die didaktische Gestaltung: Je mehr Sinne einbezogen werden, desto nachhaltiger bleibt das Gelernte bestehen. Besonders in der schulischen und beruflichen Ausbildung sollten daher digitale Angebote mit praktischen, realweltlichen Erfahrungen kombiniert werden, um den größtmöglichen Lernerfolg zu erzielen.
Hast du selbst Erfahrungen mit digitalem Lernen bei Lernstörungen? Teile deine Gedanken gerne in den Kommentaren!
Hilfe und Beratung biete ich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in individuell angepassten Einzelsitzungen
Du kannst mich gerne kontaktieren unter: